#F Die Sache mit der Hoffnung...

Es gibt Momente, da frage ich mich, ob ich vielleicht vom Mars komme und hier nur mit Gedächtnisschwund gestrandet bin. Anders scheint es mir dann nicht zu erklären, warum es immer und immer und immer wieder passiert, dass ALLE etwas für absolut selbstverständlich zu halten scheinen. Und nur ich sitze da und denke "Nein. Also das KANN ich so ABSOLUT nicht akzeptieren. - Geht GAR NICHT!!!"

 

Heute ist wieder so ein Tag.

 

 

 

Die Stockwerke hier in der Klinik heißen nicht erster, zweiter, dritter Stock. Sie heißen "Kraft", "Hoffnung" und "Zuversicht".

 

Heute hörten wir einen Vortrag über die Klinik und die Dame erklärte, wir sollten uns alle einmal überlegen, was WIR mit UNSEREM Stockwerk-Thema verbinden. Ob wir Kraft / Hoffnung / Zuversicht haben. Und falls nicht, woraus wir sie früher gezogen haben, wieder ziehen könnten usw. Dann werde Kraft / Hoffnung / Zuversicht wieder in unser Leben einziehen, wo wir diese drei in unserer schweren Zeit doch so dringend benötigten.

 

 

 

Ich - Stockwerk "Hoffnung" - habe es versucht. (vorbildliche Patientin, Ihr erinnert Euch).

 

 

 

Nur... Schon die Fragen passen nicht. So gar nicht. Ich halte nämlich nichts von Hoffnung. Und schon überhaupt gar nichts halte ich davon, nach Hoffnung zu suchen, wenn man keine hat. Ich meine was soll das?

 

Hoffnung ist laut Wikipedia "eine zuversichtliche Erwartungshaltung, dass etwas wünschenswertes in der Zukunft eintreten wird, ohne dass wirklich Gewissheit darüber besteht."

 

Ich verstehe das nicht:  Warum soll ich erwarten, dass etwas eintritt, wenn unklar ist, ob dies geschieht oder nicht?

 

Und warum soll ich das zum gesund werden brauchen?

 

 

 

Ich sage: Hoffnung ist die Alternative dazu, sich mit den bitteren Fakten und Risiken zu befassen. Und wenn man sich mit denen nicht befasst, tja dann hat man halt keine Lösung, wenn der Ernstfall eintritt!!! "Ich hoffe einfach, dass sich die Hüfte nochmal bessert." sagt meine Tante. Und bestellt KEINEN Rollstuhl, zieht in KEINE rollatorgerechte Wohnung, sondern sitzt seit Jahren in einem engen Haus mit steiler Treppe, ohne ebenerdige Dusche und braucht bei jeder Kleinigkeit Hilfe, weil sie kaum ein paar Schritte laufen kann. 

 

 

 

"Geben Sie die Hoffnung nicht auf." Ich höre es überall. Und ich bin SICHER, dass es mich kaputt machen würde nur 50% der Hoffnungen, die man mir nahelegt, tatsächlich zu behalten.

 

 

 

Denn Hoffnung ist grausam. Man hofft und wartet und träumt - anstatt einmal fürchterlich zu heulen, kräftig Nase zu putzen - und Alternativen zu suchen. Pläne zu machen. Zu tun WAS geht. Und es zu genießen.

 

Um zu tun was geht, zu genießen was man hat und zu überlegen was möglich ist, braucht man keine Hoffnungen- sondern Fakten. Hätte meine Tante mit der kaputten Hüfte sich der bitteren Realität gestellt, statt auf bessere Zeiten zu hoffen... Sie hätte in den letzten Jahren ein aktiveres Leben, mehr Sozialkontakte und weniger Enttäuschungen erlebt. Und falls die Hüfte plötzlich doch noch wird - kann man schließlich den Rollstuhl immer noch in den Keller stellen und Stepptanz lernen!!!

 

 

 

"Hoffnung" ist eins der Zauberworte unserer Zeit. "Du solltest NIE die Hoffnung aufgeben!!!" schrieb eine Userin im Krebsforum einer anderen. Die andere starb drei Tage später.

 

Ich sage: Es war ein schlechter Rat!!! Ich wünsche mir, dass sie ihn nicht befolgt hat. Dass sie nicht blind gehofft, sondern realistisch gesehen hat, dass es zu Ende ging. Dass sie getan hat, was ihr noch wichtig war in ihren letzten Tagen, anstatt Zeit und Kraft mit der Hoffnung auf ein Wunder zu verschwenden.

 

 

 

Wenn ein Wunder geschehen soll, so geschieht es sicherlich auch, ohne dass wir darauf gehofft haben. Und DANN ist immer noch genug Zeit sich darüber zu freuen. Und sooooooooo häufig sind sie jedenfalls nicht - die Wunder - wenn es sie gibt...

 

 

 

Ich hab den Zettel mit dem Wort "Hoffnung" in die Ecke geknallt und mir einen Kaffee geholt. Echt gemütlich so ganz ohne Hoffnung!!!

 

 

 

 

 

Kommentare: 2

 

  • #1

 

Mohnblume (Dienstag, 24 Januar 2017 10:37)

 

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Also ich finde ja - keine Hoffnung ist auch keine Lösung. Hoffnung muß ja kein Selbstbetrug sein (wird schon sicher gut gehen, deshalb ziehe ich nicht um und besorge keinen Rollstuhl). Aber ich habe lange meine Erkrankung ohne Hoffnung gelebt (Wenn es bei meiner Mutter schiefgegangen ist, wird es das bei mir auch.). Hoffnung fehlte mir komplett. Seit ich die Hoffnung habe, dass es gut gehen könnte - ich wirklich und wahrhaftig nie wieder was vom Krebs hören könnte - das tut wirklich gut und befreit. Hoffnung empfinde ich als einen Schutzwall gegen die Angst - ohne Hoffnung habe ich der Angst nichts mehr entgegenzusetzen.

 

  • #2

 

Tilo (Samstag, 28 Januar 2017 15:59)

 

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Super Beitrag!
Das klingt sehr authentisch, realistisch, ...
Du scheinst kein Herdentier zu sein. Du hast einen eigenen Verstand und Willen.
Ich lebe (auch) nach dem Motto: "Und bist du Gottes Sohn, so hilf dir selbst."
Meine Erfahrungen mit Psychofuzzies sind adäquat. Unseren Sohn haben sie eher kranker gemacht.
Übrigens, sollten die Etagen nicht eher Kompetenz, Sachverstand, etc. heißen? Nicht das die selbst an ihrer Fachkompetenz zweifeln. Oder gar ganz genau Wissen, wie es darum steht!!!

Weiter so! Laß dich nicht unterkriegen!