#G Zurück in's Leben?

"Zurück in' s Leben" heißt das Motto meiner Reha-Klinik, die mich gerade auf die Beine bringt. Klingt erstmal gut.... oder?

 

 

 

Seit dem 16.03.2016 dreht sich in meinem Leben alles, aber auch absolut ALLES um den Krebs. Ich bin stark gewesen und tapfer. Müde und schwach. Ich habe geheult, gekotzt, bin verzweifelt gewesen und mutlos. Ich habe so fest die Zähne zusammen gebissen, dass mir alles weh tat. Habe gehofft und gebangt, gejubelt (Ja, auch das gibt es) und geflucht. Ich hatte Alpträume und Schlaflosigkeit. Ich habe gegessen wie fünf Scheunendrescher oder mit Gewalt eine halbe Banane runtergewürgt. Ich habe geredet und geschwiegen. Habe im Bett gelegen und war beim Sport. Habe ungefähr jede homepage zum Thema Krebs auswendig gelernt, die Heidelberger Hotline genervt und meine Ärzte zur Verzweiflung getrieben mit meinen ewigen Fragen.

 

 

 

Ich habe alles getan, was man als Krebspatient so tut.

 

 

 

Jetzt bin ich durch.

 

 

 

Bin so gesund, wie sie mich bekommen und das ist WIRKLICH nicht schlecht!!! Hätte ich nicht aufgrund der familiären Situation ein dickes fettes "HOCHRISIKO" auf meiner Akte... ich würde sagen "Es sieht SUPER aus!" Und die familiäre Vorbelastung - DIE hatte ich schließlich auch schon vor meiner Diagnose...

 

 

 

Mein behandelnder Onko-Gyn sagte, dies sei "Das bestmögliche Ergebnis", sein Vertreter benutze die Formulierung "Alles ziemlich optimal gelaufen bei Ihnen" und bei meiner Hausärztin wurde ich mit "Herzlichen Glückwunsch!!!" begrüßt.

 

 

 

Mit anderen Worten: Wenn das nicht "gesund" ist, dann ist es jedenfalls sehr sehr sehr nah dran.

 

 

 

Okay, ich muss noch Medikamente nehmen (und mir einmal im Monat selber eine groooooooooße Spritze setzen) aber im GRUNDE war's das.

 

Die medizinische Maschinerie hat mich einmal von vorne bis hinten durch ihr System geschleust. Mich kräftig durch die Mangel gedreht, aber das Ende ist erreicht. Wenn ich hier in einer Woche durch bin, spuckt sie mich aus. *Fertig* - *nächster Fall*.

 

 

 

Ich hoffe ich klinge nicht undankbar,  denn ich bin wahnsinnig dankbar, ehrlich. Dankbar meinem Frauenarzt, der mich trotz unauffälliger Mammographie zur Stanze geschickt hat. Dankbar meinen Ärzten, die mir die Chemo verordnet haben. Dankbar, dass ich einen Teil der Chemo stationär gehen durfte. Dankbar, der Humangenetikerin, die mir soooooooooo geduldig erklärt hat, wie das funktioniert mit der familiären Vorbelastung und warum ich - entgegen aller Erwartungen und gegen mein Bauchgefühl - meine Brüste behalten habe. Ich bin dankbar, dass meine OP-Narbe so schön aussieht; dankbar, dass meine Haut die Bestrahlung so gut weggesteckt hat. und und und...

 

 

 

Und dann sind da noch die Punkte, die vielleicht "Schicksal" waren - und bei denen mir die Worte fehlen, um auszudrücken, was ich empfinde, weil "Erleichterung" und "Dankbarkeit" eben doch nur Worte sind. Dafür, dass der Tumor "nur" 1,5cm groß war und "nur" mittelschnell wuchs. Dafür, dass die Lymphknoten frei vom Krebs waren von Anfang an. Dafür, dass die Chemo so gut angeschlagen hat, dass bei der OP keine einzige lebende Krebszelle mehr gefunden wurde. Für die Freundschaften, die ich in dieser Phase schließen und die Gespräche die ich führen durfte. Und ich werde bis an mein Lebensende jede einzelne Minute dafür dankbar sein, dass ich - die ich nun ALLES bin, aber einfach sicher nicht!!! - meinen Mann an meiner Seite habe, der mich nimmt, wie ich bin. "gesund" - "krank" - oder "irgendwas komisches dazwischen"...

 

 

 

Und wenn ich mir diese - doch recht beeindruckende - Liste ansehe, dann wundere ich mich schon... Klingt doch so schlecht nicht? Wie eine gute und intensive Zeit? Die viel gefordert, mich viel gekostet, mir aber auch viel gegeben hat? Und das soll jetzt "einfach so" enden? Als wäre das letzte dreiviertel Jahr verlorene Zeit gewesen? Ich soll das alles vergessen und "zurück" in den alten Trott? War der wirklich soooooo toll? Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich war, als ich großkotzig "Wie schlimm können sechs Monate schon werden?"  gesagt habe. Ich habe vieles gelernt und vieles erfahren. Ich will nicht "zurück" in meine alten Fehler und alten Schienen. Will anders leben. Bewusster. Aktiver. Entspannter. Dankbarer. Offener.

 

 

 

"Zurück in' s Leben" sagt die Klinik. Ich kann ihr in diesem Punkt nicht zustimmen. Dies ist keine Rückkehr zu dem was war. DIES ist der Beginn von etwas Neuem.