#L Bitte Lächeln...

Wer tatsächlich bis hierhin durchgehalten hat (zunächst mal herzlichen Dank für's lesen!!!!!!!) wird sich wundern, wenn ich schreibe, dass in unserem Chemo-Zimmer immer gute Stimmung herrschte. Wir hatten eine Art "Ehrenkodex", dass man gut gelaunt und lächelnd erschien. Jammern war STRENG verpönt!!! Hatten wir nichts angenehmes zu erzählen? Es war doch alles eklig genug...

 

Eine Ärztin, die nur aushilfsweise dort war, nahm einmal an, ich hätte gar keine Nebenwirkungen, weil ich dort so heiter und lustig saß... aber... Wer war ICH schließlich zu jammern???

 

 

 

Es waren 12 Plätze in unserem Chemo-Raum und da man die meisten regelmäßig sah, lernte man sich nach und nach kennen...

 

 

 

Rechts von mir saß meist eine ältere Dame, die ich niemals niemals niemals anders als heiter und fröhlich erlebt habe. Metastasen in den Knochen, später auch in der Leber. "Sagen Sie nicht "Oh Gott", mir geht es doch gut." sagte sie. Sie war immer unheimlich geschmackvoll gekleidet (ich wünschte ich hätte ihr Händchen für Klamotten), verschenkte ihre Bücher "Das hab ich durch, nehmen Sie es mit..." und erzählte von ihren beiden Enkeln...

 

 

 

Ganz rechts außen saß eine Lehrerin "Wir müssen immer meine Termine richtig legen, damit das mit meinem Stundenplan zusammen passt." Auch bei ihr waren bereits Metastasen aufgetreten, auch sie war von einer entwaffnenden Fröhlichkeit. Sie hatte die schicksten Tücher, die sie zu unglaublichen Turbanen winden konnte - Wir machten immer Witze, sie sei unsere private Modenschau... Sie spüre ihre Zehen nicht mehr, gab sie irgendwann zu - Aber das sei ja nun einmal so bei diesem Medikament, also kein Grund für lange Gesichter!!! Nach einer Weile hörten die schicken Turbane auf... Lymphödem. Die Dame "bekam den rechten Arm nicht hoch genug" für solche Wickeltechniken...

 

 

 

Mir gegenüber saß eine "Dame mit Migrationshintergrund" wie es so schön heißt. Sie kam einmal mit Toffifee für alle: "Ich hab heute Geburtstag!"

 

 

 

Und links außen saß die Heldin unserer Truppe. SIE schoss den Vogel ab: Sie war schwanger, als der Krebs diagnostiziert wurde. Ich weiß nicht, ob es Brustkrebs war, der in die Eierstöcke gestreut hatte, oder Eierstockkrebs, der woanders hin gestreut hatte. Jedenfalls auch metastasiertes Stadium. (Für alle nicht-krebs-kranken: Metastasen bedeutet, der Krebs ist im System. Den kriegt man da nicht mehr raus. Man kann "nur noch" aufhalten, eindämmen, Zeit schinden und Co...)

 

Jedenfalls eilte es und so bekam sie den ersten Teil der Chemotherapie noch während der Schwangerschaft. Dann holte man per Notkaiserschnitt das Baby. Und DANN bekam sie die härtere Hälfte der Chemo. Mit dem Carboplatin, was man dem Baby nicht antun wollte.

 

 

 

Die Frauen bei mir im Chemozimmer waren Heldinnen. Mein Ehrenwort, sie waren sooooooooo tapfer und was waren schon meine blöden Nebenwirkungen im Vergleich mit den Schicksalen, die ich dort vor Augen hatte?

 

Und auf welche Art hätte ich sonst meinen Respekt zollen können als dadurch, mich mit ALLEN Mitteln zusammen zu reißen. Zu Lächeln und Witze zu machen? - Wenn in diesem Zimmer irgendwer das Recht hatte zu jammern - ICH war es ganz sicher nicht!!!

 

 

 

Und so erschien ich zur Chemo mit einem Lächeln. Für sie. Die Heldinnen des Chemo Raums... Ich hoffe, sie haben mich in guter Erinnerung behalten. Als die, die immer mit Glatze herumlief vielleicht... "Sie sind ja auch jung und hübsch, da kann man sowas tragen." Komplimente aus dem Chemoraum zählen dreifach... denn DORT gibt es sonst nur bittere Wahrheiten...

 

 

 

Also falls Ihr jemals einen Chemo-Raum betretet: Lächeln nicht vergessen!!! Das gehört sich so!!!