#V "Wenn die Kastanien wieder blühen"...

Es ist Frühling. Die Bäume blühen. Die Sonne scheint. Ich bin (abgesehen von ein paar Magenproblemen, Hitzewallungen und Schlafstörungen durch die Langzeit-Medikamente) wieder gesund. Und ich erinnere mich....

 

Im April begann die Chemotherapie.

 

 

 

Es muss ziemlich genau ein Jahr her sein, dass ich begiff, dass es kein Spaziergang und keine Kleinigkeit werden würde. Dass das Frühjahr und der Sommer gelaufen und alle meine Pläne für das Jahr 2016 gestrichen waren.

 

 

 

weg.

 

 

 

Einfach so. Und keiner konnte mir sagen, ob das alles sein würde...

 

 

 

Ich erinnere mich, dass ich einen Internet-post verfasste, den ich nie online stellte. Zu düster für ein Krebs-Forum, in dem alle nur Durchhalteparolen und positive Einstellung hören wollen.

 

 

 

Ich erinnere mich, dass ich schrieb, dass der Krebs mir gerade den Frühling stehle. Dass vor dem Haus die Kastanien blühten, aber ich nicht draußen an der frischen Luft Fahrrad fahren konnte, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich schrieb, dass es schwer zu ertragen sei, nicht zu wissen, welche meiner Träume und Pläne unwiderbringlich zerbrochen sind - und welche "nur" eingefroren.

 

Im Frühjahr 2016 tat ich gar nichts.

 

Ich lag im Bett, hing über'm Klo, war beim Arzt oder starrte auf mein Handy. Sonst nichts. "Aber ICH bin noch da." schrieb ich "Und nächstes Jahr, wenn die Kastanien wieder blühen, werde ich mit dem Fahrrad zum See fahren. Ich werde ein letztes Mal meine zerbrochenen Träume beweinen. Und dann werde ich sie begraben und neu anfangen.

 

Denn wenn ich JETZT durchhalte - kann ich mir DANN neue Träume ausdenken..."

 

Der Frühling ist da. Die Bäume blühen und die Sonne scheint.

 

 

 

Und ich stehe vor der Frage, ob ich dieses Versprechen einlösen möchte?

 

 

 

Will ich wirklich die alten Träume wieder auspacken und prüfen? Was, wenn sie zerbrochen sind? Und was wenn nicht?

 

 

 

Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich war, der geglaubt hat "mal eben" eine Chemotherapie durchziehen zu können und dann zurück kehren zu können. Ist es klug die alten Träume auszupacken? Oder ist dieser April die Zeit für neue Träume? Neue Pläne?

 

 

 

Ich weiß es noch nicht. Weiß nicht, welche meiner Träume und Pläne unwiderruflich zerstört sind. Weiß nicht, was ich tun will und nicht, wofür ich den Mut aufbringe. Keine Ahnung...

 

 

 

Ich weiß nur eins:

 

 

 

Es ist wieder Frühling. Draußen blühen die Bäume. Ich habe mein Fahrrad aus dem Keller geholt und fahre zum See.

 

 

 

Es ist wahr geworden:

 

 

 

Der Krebs ist weg.

 

 

 

Und ich bin noch da.

 

 

 

Kommentare: 1

 

  • #1

 

Maggie (Dienstag, 11 Juli 2017 14:50)

 

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Auch ich liebe die blühenden Kastanien ganz besonders. Sie sind für mich der Inbegriff von Frühling, so kraftvoll, so voller Blüten und strotzend von Leben.
In diesem Jahr hat die Kastanie in meinem Garten vergeblich auf meine bewundernden Blicke gehofft und es ist ihr nicht gelungen, meine Kreativität und Lebensfreude anzuspornen. Aber im nächsten Jahr .... ! Dann setze ich mich mitten darunter, atme tief durch und werde genau das tun, was Du so wunderbar beschrieben hast.
Und ja, ich spüre schon jetzt ein bisschen von ihrer Kraft ...